Thea Kaarow-Himmelreich

geboren am 20. Januar 1918,
gestorben 16. Juni 1999

 


»Meine Bilder
die ich male
sind die Träume
schon von morgen —
sind Vergangenheit
des Einst —
sind das Heute
...
denn sie steigen
aus den Tiefen
die ich selbst
noch nicht erlotet,
sind wie Stimmen
die mich riefen
echolos und doch konstant,
sind verfremdet mir verwandt,
unerforschtes Land —«

 


  Die Bilder Thea Kaarow-Himmelreichs üben auf den Betrachter einen eigenartigen Reiz aus. Vielfältige mythische Figuren, Gesichter und Gestalten, labyrinthische Landschaften sind einverwoben wie Motive in orientalischen Bildteppichen. Der Betrachter kann sich immer wieder selbst erkennen: seine Hoffnungen und Ängste, seine Träume und Möglichkeiten.

Psycho-Figurationen oder Psychogramme - Bezeichnungen, die die Malerin gern für ihre späteren Bilder benutzte. Thea Kaarow-Himmelreich hat außer ihrem bildnerischen Werk auch viele Gedichte hinterlassen. Der eigenwillige Ausdruck von linearen Formen und Farbflächen in ihren Bildern gewährt auch fließenden Eingang in ihr lyrisches Werk.

Geboren am Ende des Ersten Weltkrieges, als jüngstes Kind von fünf Geschwistern einer bürgerlichen Familie aus Gelsenkirchen, blieb ihr Leben vom Krieg gezeichnet: Ihr erster Ehemann und künstlerischer Freund, Claus Dillinger, Architekt und Bildhauer, starb zehn Tage vor der Geburt ihres ersten Sohnes gegen Ende des Zweiten Weltrieges. Dieser tragische Verlust prägte immer wieder große Teile ihres lyrischen Werkes.

Die Berufsausbildung fing sie in Leipzig und Dortmund mit einer Verlagsbuchhändlerlehre an, ihre eigentliche Berufung begann aber 1938 in der Werkkunstschule Dortmund und der Folkwangschule in Essen und Studienkunstakademie Düsseldorf. Auch hier beeinflussten die Kriegsumstände ihren künstlerischen Stil: »Die letzten Jahre in Essen waren durch Fliegerangriffe und Zerstörungen so unruhig, dass immer wieder andere Räume bezogen werden mussten. Vielleicht beruht hierauf meine oft typische Art der Verfremdung in meinen späteren Bildern.«

Erste Bekanntheit erlange Thea Kaarow-Himmelreich mit ihren Scherenschnitten: »Bei manchen dieser (ihrer späteren) Bilder ist noch deutlich die Herkunft, die 'Schule' zu spüren, aus der solche Kunst erwuchs: Der fast vergessene und oft belächelte Scherenschnitt ... der Schattenriss, die Silhouette zog sie an, die fast absolute Reduktion, die es sonst nur noch in der japanischen Tuschemalerei gibt« (Dankwart von Loeper, Verleger, Karlsruhe). Die Scherenschnitte, immer aus einem Stück geschnitten mit Schere oder Klinge, sind zart bis in die feinsten Binnenstrukturen. Hier hat die Künstlerin unzweifelhaft allergrößte Meisterschaft erlangt. So kam es bereits 1943 zur ersten umfassenden Ausstellung mit Scherenschnitten der Künstlerin im Koblenzer Schloss.

Im August 1948 heiratete Thea Kaarow-Himmelreich ein zweites Mal: Rolf Kaarow, mit dem sie weitere drei Kinder hat. Das turbulente Leben mit drei Söhnen und einer behinderten Tochter geben ihrem künstlerischen Werdegang immer neuen Ausdruck. 1972 schreibt sie dazu in ihrem unveröffentlichten Tagebuch: »Das war das Jahr meiner Sternstunde, die ich mir bis heute nicht so eindeutig erklären kann. Ich erlebte in einer Diskussion einen ziemlichen seelischen Schock, aus dem etwas unerwartet Produktives erwachsen sollte. Weinend und verzweifelt saß ich an meinem Zeichentisch und malte aus meinen Emotionen drauflos. Malte mit zitternder Hand ein schonungsloses Selbstportrait mit dem Mut zur Verzerrung und Verfremdung. Diese neue hemmungslose Art zu zeichnen befreite mich von der Fixierung an normale Formen und Proportionen und es entstand geistige Umsetzung in Verfremdung, die anatomische Formen ins Ornamentale verwob. Dazu kam noch die neue Gestaltung in stark bunten Farben, im Gegensatz zu meinen bisherigen Schwarzweiß-Arbeiten. Meine Motive waren dann - der Herkunft meines Schocks entsprechend - meine Kinder. Zunächst jedenfalls. Hier war nun meine Welt, in die mir niemand hineinreden konnte; ich löste mit meinen Bildern auch ein entsprechendes Echo aus. In zwölf Monaten malte ich siebzig Bilder. Meine Themen sind Hippies, Blumenkinder, Folkloresänger, Kommunarden, Gaukler, Masken und immer wieder Masken.«

Auf der Vernissage einer ihrer Ausstellungen in Karlsruhe im Jahre 1975 skizzierte Professor Rudolf Immig von der staatlichen Kunstakademie Karlsruhe das Werk von Thea Kaarow-Himmelreich mit folgenden Worten. »Aber hier in dieser zweiten Phase der Überschneidungen und Kreuzungen wird der Fläche ein neuer Wert, ein neuer Ausdruck gegeben. Plötzlich steht in dieser Figur ein helles Gesicht vor dem übrigen, vielleicht dunklen Körper oder umgekehrt. Und je weiter die Feinheit dieses neuen Vokabulars erweitert wird, umso vielfältiger wird die Differenzierungsmöglichkeit. Plötzlich vermag sich das Gesicht zu teilen, und es erscheint eine dunkle, eine weiße Hälfte, plötzlich gibt es Durchschnitte und Durchdringungen beider Seiten und sie treten in ein Wechselverhältnis. Sieht man ein Bild oder auch nur den Ausschnitt eines Bildes, so kann man gar nicht umhin, als sich auf einen Dialog einzulassen, auf eine Meditation, bei der eigentlich das Bild, das Spiel der Linien, die Führung übernimmt ... So wird ein simples Ordnungsprinzip wie das Nacheinander, Nebeneinander, Übereinander und Miteinander selbst zur Aussage gemacht.«

Thea Kaarow-Himmelreich war Mitglied der GEDOK Karlsruhe. Ihr zweiter Ehemann Rolf Kaarow hat seiner Frau in ihrem künstlerischen Schaffen ein Leben lang zur Seite gestanden. Ohne diese engagierte Förderung des Lebenspartners hätte die Künstlerin in ihrem turbulenten Alltag mit vier Kindern nicht ein so umfassendes Werk hinterlassen können. Rolf Kaarow hat sich insbesondere um die Organisation und Vorbereitung der Ausstellungen und die Publikationen ihres bildnerischen und lyrischen Werkes verdient gemacht. Thea Kaarow-Himmelreich starb am 16. Juni 1999 in Karlsruhe.

Noch heute, viele Jahre nach dem Tod seiner Frau, verbindet Rolf Kaarow eine freundschaftliche Beziehung zu Dankwart von Loeper, dem Verleger Thea Kaarow-Himmelreichs. Ihre Bücher, mit Bildern und Gedichten, sind im Buchhandel erhältlich oder über das Internet.